FlugAIRlebnisse

Eine Rundreise mit dem Motorsegler durch Skandinavien

Samstag, 8.August 1998, 8.45 Uhr: Vollgas! Nur langsam setzt sich unser vollgetanktes und mit dem nötigsten Gepäck bestücktes Flugzeug in Bewegung. Doch schon nach ca. 200 m Rollstrecke heben wir ab zu unserer ersten Etappe auf dem Weg zu Europas nördlichstem Punkt, dem Nordkap. Wir, das sind Alfred Kronen aus Eschweiler und Günter Bleckmann aus Stolberg-Breinig, zwei Piloten der Segelfluggruppe Nordstern vom Flugplatz Aachen-Merzbrück, und der Motorsegler unseres Clubs vom Typ „Dimona“ mit einem 80 PS-Motor und 16 m Spannweite; er wird für die nächsten 10 Tage sozusagen unser Zuhause sein. Ausgestattet mit 20 Luftfahrtkarten (für ganz Skandinavien), zwei GPS-Geräten zur Erleichterung der Navigation, Schwimmwesten und einem Notsender (für alle Fälle) soll uns unser Vogel heute bis Dänemark tragen. Maribo auf der Insel Lolland heißt unser erstes Ziel. Unsere größte Sorge, das Wetter, hat sich buchstäblich in Wohlgefallen aufgelöst; die Vorhersage der Flugwetterwarte vom Flughafen Köln-Bonn ist bestens.

Flugvorbereitung

Unsere Flugroute führt uns über die Funkfeuer Wuppertal - Dortmund - Osnabrück und weiter durch die norddeutsche Tiefebene. Wir sind in ständigem Funkkontakt mit den zuständigen Flugsicherungsstellen, die uns Hinweise auf die jeweilige Verkehrssituation in der Luft geben.Südöstlich von Hamburg überqueren wir die Elbe und passieren kurz darauf Lübeck zu unserer Rechten. Unsere Route führt uns weiter am Timmendorfer Strand entlang; die Ostsee leuchtet in tiefem Blau, ein phantastischer Anblick! Leider müssen wir kurz darauf wegen eines technischen Defekts in der Elektrik des Verstellpropellers zurück nach Lübeck. Am dortigen Flughafen wird uns hoffentlich jemand helfen können. Und wir haben uns nicht getäuscht: ein Motorseglerwart vom Lübecker Aero-Club erweist sich als ein ausgesprochener Fachmann und behebt die Störung. Also fliegen wir erst am nächsten Morgen weiter nach Maribo. Sonntag, der 9.8. ist ein herrlicher Sommertag; entlang der Vogelfluglinie geht es über Fehmarn zur dänischen Insel Lolland. In Maribo wird die Maschine aufgetankt und der Flugplan für den Weiterflug nach Norrköpping (Schweden) bei Copenhagen Control aufgegeben. Auf unserer heutigen Etappe überqueren wir die Insel Seeland und erreichen nach dem Überflug des südöstlichen Teils des Kattegats die schwedische Küste. Unsere Dimona trägt uns nun über endlose Fichtenwälder und zahllose Seen, eine einsame Landschaft über hunderte von Kilometern. Irgendwann blinkt links voraus am Horizont durch die bewaldeten Kuppen hindurch der Spiegel des Vättersees. Die Landschaft bleibt urtümlich und einsam bis Norrköpping, unserem heutigen Tagesziel. Während wir unsere Maschine putzen, rollt ein weiterer Motorsegler mit deutschem Kennzeichen von der Landebahn zu uns auf den Parkplatz. Es sind zwei Piloten aus Schwäbisch-Hall, deren Ziel ebenfalls das Nordkap ist. Der nächste Tag, der dritte unserer Reise, soll uns bis nach Finnland bringen. Wieder meint es das Wetter bestens mit uns, und bei strahlendem Sonnenschein fliegen wir weiter nach Norden. Zunächst passieren wir Stockholm im Westen. Die Luft ist unglaublich klar, Sicht bis zum Anschlag. Langsam nähern wir uns der Küstenlinie des Bottnischen Meerbusens. Der Wind hat zugenommen und bremst deutlich unsere Reisegeschwindigkeit. Erstes Tagesziel: Mariehamn, die größte der Alandinseln. Dieses Archipel zwischen Schweden und dem finnischen Festland gehört bereits zu Finnland, verfügt aber aus historischen Gründen über eine weitgehende Autonomie. Der Anblick des Flughafens ist für uns ungewohnt: statt wie üblich auf grauem Beton oder dunklem Asphalt setzen wir auf einer tennisplatzroten Landebahn auf. Auch hier wieder, wie schon bisher, sehr freundliches und hilfsbereites Flughafenpersonal. Auftanken und weitere Flugroutenplanung werden zügig erledigt, denn wir wollen heute noch einen großen Sprung weiter nach Norden machen; das gute Wetter muss genutzt werden, Regen werden wir früh genug bekommen. Aufgesessen, der rote Asphalt saust unter unserem Flugzeug dahin. Der Anblick der tausenden von kleinen und kleinsten Inseln auf dem Weg zum finnischen Festland ist grandios. Jedem Finnen seine Insel? Es sieht fast so aus.

Zwischen den Alandinseln und der finnischen Küste

Nach Erreichen der finnischen Küste schwenken wir auf Nordkurs. Jetzt geht es für ca. 3 Stunden wieder über unendliche Wälder und Seen. Finnland wie im Bilderbuch. Im Westen blinkt der Bottnische Meerbusen im Schein der langsam sinkenden Sonne, im Osten türmen sich gewaltige Wolkenberge im Bereich der finnischen Seenplatte auf. Nur gut, dass wir unsere Kurslinie mehr westlich gelegt haben, denn mit Cumulus-Wolken dieses Kalibers ist nicht zu spaßen. In der Abenddämmerung schweben wir und auch unsere schwäbischen Freunde auf dem Flughafen von Kokkola ein. Am nächsten Morgen fliegen wir nach Auflösung des Bodennebels weiter nach Norden. Unser heutiges Tagesziel ist Ivalo am Inarisee, die Metropole Lapplands, 580 Kilometer und gut 4 Flugstunden entfernt. Die ersten 150 Kilometer folgen wir wieder der Küstenlinie des Bottnischen Meerbusens, überfliegen Oulu, die große Hafenstadt. Ab Kemi lassen wir die See hinter uns; vor uns liegen nun 300 Kilometer Tundra. Bei Rovaniemi überqueren wir den Polarkreis. Von nun an wird die sog. Eismeerstraße , eine breite, helle Schotterpiste und nahezu die einzige Nord-Süd-Verbindung in Lappland, unsere ständige Begleiterin sein. Der Himmel ist inzwischen stark bewölkt, die Sicht aber immer noch recht gut Ein Gefühl der Einsamkeit und Verlorenheit wird spürbar in unserem Cockpit. Ein Blick in die Fliegerkarte zeigt uns, dass sich hunderte von Kilometern rechts und links von unserem Kurs nichts als Tundra befindet...

Der Flughafen Ivalo meldet sich nicht auf unsere wiederholten Funkanrufe. Die Tower-Mannschaft hat bis 18 Uhr Mittagspause; die Uhren gehen hier „oben“ eben anders. Also landen wir nach Absetzen einer sog. Blindsendung wieder in kurzem Abstand auf der langen Betonpiste. Kühle Abendluft schlägt uns entgegen, es riecht nach Regen. In Lappland hat die Trekking-Saison ihren Höhepunkt erreicht. Ivalo am südlichen Ende des Inarisees ist das Touristenzentrum und Ausgangspunkt für Touren aller Art. Kein Wunder, dass wir nur mit Mühe (und der freundlichen Hilfe des Flugleiters) noch ein Motel mit 4 freien Betten finden. Hier übernachtet ein Vielvölkergemisch, die Wirtin spricht sogar deutsch.

Ivalo am Inarisee - Lappland

Lange Gesichter beim Frühstück - es gießt in Strömen. Dabei sollte uns dieser Tag an das Ziel unserer Reise, zum Nordkap, bringen. Per Handy holen wir Informationen über das Streckenwetter von den Flugwetterwarten Rovaniemi und Bodö/Norwegen ein und fassen wieder Mut. In ein paar Stunden soll es aufklaren. Wir wollen nach der Umrundung des Kaps an der norwegischen Küste entlang zurück nach Süden fliegen. Unsere Freunde aus Schwäbisch-Hall planen den Rückflug über Finnland und Schweden. Alsdann - guten Flug und bis bald in Deutschland! Die 250 Kilometer zum Nordkap fliegen wir bei einer Wolkenuntergrenze von etwa 500 Metern. Für uns Privatflieger ist ein ganz bestimmter Punkt zum Einflug von Finnland in den norwegischen Luftraum vorgeschrieben. Es ist der kleine Grenzort Karigasniemi. Er ist nicht zu verfehlen, weil sich hier zwei breite Flusstäler vereinigen. Wir erreichen diesen Meldepunkt auch entsprechend unserer geplanten Flugzeit und melden uns über Funk bei Rovaniemi Control ab und bei Bodö Control an. Der finnische Flugleiter verabschiedet uns mit einem lockeren „Heh,heh!“, was wohl soviel wie „Tschö, wa!“ bedeutet. Nun sind die norwegischen Fluglotsen für uns zuständig. Wir fliegen in 400 Metern Höhe über die Finnmark, so heißt hier der norwegische Teil Lapplands, immer Kurs Nord. Der Porsangerfjord, ein tief ins Binnenland hineinragender Eismeerarm, wird überquert. Wir nähern uns dem Kap. Schon haben wir den schmalen Mageröy-Sund vor uns, der die Insel Mageröy, an deren nördlichster Spitze das Kap liegt, vom Festland trennt. Noch 10 Minuten Flugzeit. Eine schmale Autostraße schlängelt sich über den kahlen Fels nordwärts; ihr brauchen wir nur zu folgen, wo sie endet, ist auch Europas Festland zu Ende. Von weitem erkennen wir die weiße Kuppel auf der Felsnase - und genau darüber kreisen unsere Schwaben; sie waren ein paar Minuten vor uns da. Fotografieren ist angesagt. Wir überfliegen in 200 Metern Höhe die Touristenanlagen und haben, sobald wir die Felsnase des Kaps in Richtung Meer überquert haben, wieder 500 Meter Luft unter den Tragflächen. Fast senkrecht fällt der Fels zum Meer hin ab. Hellgrün gischtet die Brandung an seinem Fuß auf. Ein fast unwirklicher Anblick von hier oben, und ein unvergesslicher dazu.Wir turnen noch ein paar Minuten mit unseren Schwaben umeinander und verabschieden uns dann über Funk endgültig von ihnen.

Ziel erreicht: Das Nordkap

Unser nächster Flugplatz ist Alta in Nord-Norwegen am gleichnamigen Fjord. Seit unserem Abflug von Aachen.Merzbrück zeigt unser Kompass zum ersten Mal wieder Südkurs an. Wir haben mit unserem kleinen Vogel das Nordkap umrundet. Eine gewisse Hochstimmung überfällt uns, besonders deshalb, weil das Wetter bisher so gut mitgespielt hat. Der Flughafen Alta zeigt uns, was er hat. Als wir aus 1500 Metern Höhe von den Küstenbergen zum Fjord hinunter schweben und um Landefreigabe bitten, wird vom Tower die gesamte Landebahnbefeuerung eingeschaltet; eine nette Geste. Die Tower-Leute empfangen uns ausgesprochen herzlich. Wir bekommen nicht nur ihren Kaffee, sie verwöhnen uns auch noch mit Smöre-Bröd und gehobeltem Käse. Auch hier spricht man deutsch. Und bald erfahren wir, dass ihr Flughafen im zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten auf Kosten der umliegenden Wälder aus dem Fjordufer gestampft worden ist. Zur Feier des Tages gönnen wir uns eine excellente Fischplatte. Eine halbe Stunde vor Mitternacht zaubert die Sonne noch mal ein grandioses Feuerwerk an den Nachthimmel. Wir sind begeistert.

Anflug auf Alta

Weiter geht es Richtung Heimat. Zwar hat sich die Sonne etwas rar gemacht, doch reicht die Wolkenhöhe problemlos aus. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Namsos fliegen wir mit Kurs 180 Grad über die wilden Ausläufer des Dovrefjells vorbei am Olympiaort Lillehammer nach Hamar, der Stadt am Ufer des Mjösensees. Hamar ist bekannt durch seine Eislaufarena in der Form eines Wikingerschiffes. Diese Eisbahn gilt wegen ihrer extrem niedrigen Temperatur als die schnellste der Welt. Der Flugplatz von Hamar ist ein Privatplatz. Auf unsere wiederholten Funkanrufe meldet sich schließlich jemand und gibt uns Landeinformationen. Es war allerdings nicht die Flugleitung, sondern ein pensionierter Flugkapitän der SAS, der großen skandinavischen Luftverkehrsgesellschaft. Er bastelte an seinem Sportflugzeug herum und hatte zufällig sein Funkgerät eingeschaltet. Er organisiert auch für uns die für den Weiterflug erforderliche Spritmenge. Wir beschließen den Tag mit einer weiteren 200 km-Etappe und landen um 19 Uhr in Torp bei Sandefjord, etwa 60 Kilometer südwestlich von Oslo am Ufer des Oslofjords. Der nächste Tag, Samstag, könnte uns problemlos zurück nach Aachen-Merzbrück bringen. Die Flugleistungen unserer Dimona ermöglichen die Strecke von über 1000 Kilometern mit einem Tankstopp ohne weiteres. Aber zu früh gefreut, am Samstag Morgen gießt es in Strömen. Die Auskünfte der Flugwetterwarten Oslo und Hamburg verheißen für diesen Tag nichts Gutes. Aber der morgige Sonntag soll nach Durchzug der Front wieder bestes Flugwetter bringen. Der Sonntag macht mit einem strahlend blauen Himmel und glasklarer Luft seinem Namen dann auch alle Ehre. Leider öffnet der Flughafen erst um 13.30 Uhr. Um 13.45 Uhr sind wir in der Luft. Zunächst geht es über den breiten Oslofjord hinüber nach Schweden. Dann folgen wir wieder in etwa der Küstenlinie, bis wir 30 Kilometer südlich von Göteborg auf Westkurs gehen und zum Sprung über das Kattegat ansetzen. Mittendrin auf halber Strecke zwischen Schweden und Dänemark liegt, einem Flugzeugträger gleich, die Insel Laesö, die wir in 700 Meter überfliegen. Bald kommt die dänische Ostküste bei Aalborg in Sicht. Bis zu unserem nächsten Etappenziel - Flensburg - sind es nur noch knapp 2 Stunden; die Zeit verrinnt „wie im Flug“. Gegen 18 Uhr setzen wir in Flensburg auf, tanken und starten sofort wieder, um an diesem Tag noch möglichst weit nach Süden Richtung Heimat voranzukommen. Husum, Büsum, die Elbemündung, Cuxhaven ziehen unter uns durch, von der schon tief stehenden Sonne in ein diffuses Licht getaucht. Um 19.15 Uhr landen wir in Bremerhaven-Luneort, einem kleinen Flugplatz direkt an der Weser.

Bei einer vorzüglichen Scholle lassen wir die neun Tage unserer Nordkap-Reise noch einmal Revue passieren. Sie haben uns unvergessliche Eindrücke gebracht. Nach weiteren zwei Flugstunden sind wir am Montag um 12 Uhr zurück in Aachen-Merzbrück. Hinter uns liegen 38 Stunden Flugzeit und 5400 Kilometer über Norddeutschland, Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen. Ein kleiner Motorsegler mit 16 Metern Spannweite und 80 PS hat es möglich gemacht.

Günter Bleckmann
Sept. 1998


„Für seine Erinnerungen muss man beizeiten sorgen!“ (Zitat Franz Lammertz)
Er hatte Recht.

Günter Bleckmann
Juni 2020

D-KIED
der Segelfluggruppe Nordstern e.V.
von Aachen-Merzbrück nach Ouarzazate/Marokko und zurück
31.08. - 13.09.2002

Die Piloten: Alfred Kronen und Günter Bleckmann von der Segelfluggruppe Nordstern e.V.

Vorbereitung:
Beschaffen aller ICAO-Karten von Frankreich, Spanien und Marokko und des Luftfahrthandbuches für VFR-Flüge in Marokko (bei AIS Casablanca).
Am Tag vor dem Abflug Einholen aller NOTAMS für die geplante Route per Internet.

Abflug: Samstag, 31.08.1992, 0900 Uhr

Wir starten früh, da gegen Mittag eine Kaltfront erwartet wird, die uns in Aachen festhalten könnte. Erstes Ziel ist der Flugplatz Saarlouis-Düren. Das Wetter ist heiter, aber diesig. Tanken, noch mal Wetterwarte Frankfurt anrufen, Flugplan aufgeben nach Vesoul/Frankreich. Unterwegs mäßige Sicht, niedrige Basis. Landung in Vesoul mit Auto- Info, der TWR ist nicht besetzt. Nach 1,5 Std. und inzwischen eingetretener Wetterbesserung Weiterflug nach Macon im Saonetal. Dort hatte unser Taxifahrer auf der Suche nach einem Hotel erst beim 12. Versuch Erfolg. Der Grund: an diesem Wochenende fanden in Macon Motorboot- Weltmeisterschaften statt.

Sonntag, 01.09

Weiterflug wegen zunächst schlechten Wetters erst gegen Mittag möglich. Heutiges Ziel: Perpignan an der spanischen Grenze. Vorbeiflug an der riesigen Stadt Lyon und dann mit einer Geschwindigkeit über Grund von 230 km/h durchs Rhonetal nach Süden. Der Mistral macht's möglich. Ab Montelimar bestes Flugwetter, allerdings wegen Thermik und Wind ziemlich turbulent. Alfred wurde immer blasser... Dann erstmals das Mittelmeer in Sicht. Beziers TWR lässt erst noch eine Verkehrsmaschine starten, dann dürfen wir die CTR durchfliegen. Entlang der Küste geht es weiter nach Perpignan. Saubere Landung bei strammem Gegenwind.

Montag, 02.09

Kurzer Hüpfer über die östlichen Ausläufer der Pyrenäen nach Ampuriabrava. Reger Fallschirmsprungbetrieb.

Tanken, Flugplan, Wetterberatung, Start nach Ocanja (südlich von Madrid). Nach anfangs noch niedriger Basis wird das Wetter immer besser. Wir fliegen 3 Std. lang nur über eine öde, karstige Mittelgebirgslandschaft. Besuch eines Fliegerfreundes aus Deutschland, der seit Jahren in Ocanja seinen Segelflieger-Urlaub verbringt. Aufgabe des Flugplans von Granada nach Tanger (übermorgen). Die Marokkaner wollen den Flugplan spätestens 24 Std. vor dem Einflug vorliegen haben.

Dienstag, 03.09

Weiter nach Granada, 400 km nach Süden. Herrlicher Flug über ständig wechselnde Landschaften: Kornfelder, Olivenbaumplantagen, Korkeichenanpflanzungen, Talsperren, Gebirgszüge. AIS Granada teilt uns mit, dass Tanger unseren Flugplan nicht akzeptiert. Es gibt dort z.Zt. kein Flugbenzin (AVGAS). Also neuen Flugplan aufgeben für morgen: Granada – Fes . Nachmittags Besuch der Alhambra.

Mittwoch, 04.09

Heute wollen wir nach Fes fliegen. Der Flugplan wurde akzepziert. An Malaga vorbei steigen wir auf 8000 ft. Die Wolken sind tief unter uns. Querung der Straße von Gibraltar mit angelegten Schwimmwesten. Auf Kurs voraus werden die Wolken immer dichter. Tanger TWR teilt uns mit, dass wir ein aktives Gefahrengebiet weiträumig umfliegen müssen. Da unser Sprit dafür nicht reicht, fliegen wir – in der Annahme, dass Tanger immer noch ohne AVGAS ist – zurück nach Spanien und landen in Jerez de la Frontera, wo gerade die Welt-Reiterfestspiele stattfinden. Flugplan für morgen nach Tanger.

Donnerstag, 05.09

Unser Flugplan wurde akzeptiert, also hat Tanger wieder AVGAS. Heute bleiben wir unter den Wolken und queren erneut die Straße von Gibraltar, diesmal in 2000ft. Unser Kurs führt uns südlich an Tanger vorbei, und nun sehen wir sie zum ersten Mal, die „Weiße Taube auf der Schulter Afrikas“. Cleared to land und ab zur Tankstelle. Es ist eine ganz frische Lieferung AVGAS angekommen, in 200-l-Fässern. In unserem Beisein prüfen drei Mann mit diversen Messgeräten und Zahlentabellen die Qualität des Sprits. Er wird für gut befunden und wir füllen unseren Tank.

Die Flugsicherungsdame vom Tower, mit der wir gestern in Funkkontakt standen, gibt uns Tipps bei der Routenplanung für den Weiterflug nach Fes. Eine nette Marocaine, die uns nebenbei erzählt, sie hätten auch gestern schon AVGAS gehabt, warum wir denn nicht gelandet wären... Ansonsten viele Uniformierte, Polizei, Zoll etc. und reichlich Bürokratismus. Flugplan, Wetterberatung – und auf nach Fes. Zunächst entlang der Antlantikküste nach Süden, dann auf der Höhe von Rabat Ostkurs und vorbei an der Königsstadt Meknes nach Fes. Ein Riesenflughafen und kein Verkehr.

Der Chef der Flugplatzfeuerwehr begrüßt uns in deutscher Sprache; er hatte einen Kurs beim Goethe-Institut absolviert und platzt fast vor Stolz. Abends Bummel über den Boulevard Hassan II. Nachts um 4 Uhr weckt uns der Muezzin vom Minarett der nehegelegenen Moschee, natürlich mit Lautsprecherunterstützung.

Freitag, 06.09

Weiterflug nach Ouarzazate, dem südlichsten Punkt unserer Reise, zwischen dem Hohen Atlas und der Sahara gelegen. Die vorgeschriebenen Sichtflugrouten führen uns über die Flugplätze Ifrane und Beni Mellal. Nirgends ist Flugbetrieb. Die Farbe grün findet sich nur noch ansatzweise in den ausgetrockneten Flusstälern. Ansonsten leuchtet Marokko von hellbeige bis rotbraun zu uns herauf.

Der Hohe Atlas wird mit Unterstützung durch Hammerthermik in 8000 ft. überquert. Zwischen seinen südlichen Ausläufern und Ouarzazate nur Sand und nochmals Sand. Der TWR gibt uns die Temperatur mit 35 Grad und den Wind auf der Bahn mit 20 kt an. Auf dem Weg zur Tankstelle rollen wir an einer russischen Transportmaschine vorbei, die mit Pferden beladen wird. Es wurde mal wieder ein Western in der Filmstadt Ouarzazate gedreht. Der Flugplatzpolizist ist sehr hilfsbereit und fährt sogar mit uns im Taxi zum Hotel.

Samstag, 07.09

Weiter nach Marrakech. Bei der Flugvorbereitung stellen wir fest, dass uns die Anflugkarten von Ouarzazate, Marrakech und Tanger fehlen. Es gibt nur eine Erklärung: die hat uns gestern der stramme Wind verblasen. Mit Hilfe des freundlichen Tower-Manns haben wir Kopien als Ersatz, kostenlos! Dafür kleben wir ihm einen signierten Nordstern-Aufkleber auf die Glasvitrine in seinem Büro. Wir müssen wieder über den Hohen Atlas, dieses Mal von Süden nach Norden. Mit Hangwind und thermischer Unterstützung ist das für die Dimona kein Problem. Nach 1:10 Std. landen wir auf der langen Piste von Marrakech.

Nachmittags Besuch im Soukh – eine Welt für sich. Abends Besichtigung des Treibens auf dem Djemma el Fna („Platz der Geköpften“), eindrucksvoll. (s.u.)

Sonntag, 08.09

Weiterflug nach Tanger. Vorbei an Casablanca und Rabat. Die zweite Hälfte der Strecke sind wir vor drei Tagen schon in entgegengesetzter Richtung geflogen. Tanger hat mal wieder eine Überraschung für uns: kein AVGAS verfügbar! Also übernachten wir in der quirligen Hafenstadt , um am

Montag, 09.09

über die Ausläufer des Rif-Gebirges in das nur 60 km entfernte Tetouan zu fliegen. Dort gibt es AVGAS aus dem Fass, umfüllen in einen 10-l- Eimer mit anschließender Trichterbetankung. Prompt werden wir um 10 l übers Ohr gehauen (beim nächsten Mal führen wir eine Strichliste). Da man selbstverständlich auch kein Wechselgeld hat und wir nur große Scheine, fällt das Bakschisch heute (zwangsläufig) allzu üppig aus. Alfred schäumt vor Wut...

Flugplan aufgeben und weiter geht’s über die Straße von Gibraltar zurück nach Spanien. Das spanische Sperrgebiet rund um die britische Enklave zwingt uns zu einem weiten Umweg nach Norden, bis wir kurz vor Malaga wieder an die Küste fliegen können. Bestes Wetter, Durchfluggenehmigung durch Malaga CTR kein Problem. Landung in Almeria, direkt am Strand. Wir wollen heute möglichst weit nach Norden kommen und fliegen deshalb noch 200 km weiter, immer an der Küste des azurblauen Mittelmeeres entlang, über Cartagena nach Murcia; eine traumhafte Etappe.

Dienstag, 10.09

Am Flughafen Murcia übt das Militär. Zivile Flüge sind deshalb nur von 07:30 bis 08:15 Uhr und nachmittags erlaubt, so der AIS-Mann am Abend zuvor. Nach zähen Verhandlungen zunächst mit dem Sicherheitsdienst und dann mit dem heute diensthabenden AIS-Mann, der die Zusage seines Kollegen energisch bestreitet, dürfen wir schließlich doch um 07:50 Uhr Ortszeit (Sonnenaufgang war um 07:30 Uhr) vor Beginn des militärischen Betriebs mit einer „special autorisation“ starten. Immer der Küstenlinie folgend passieren wir bei bestem Flugwetter Alicante und Valencia und landen nach drei Std. in Reus (Tarragona). Von hier aus geben wir den Flugplan auf nach Valence im Rhonetal, 70 km südlich von Lyon. Wir umfliegen das Sichtflug-Sperrgebiet Barcelona im Westen und vorbei an Girona und Ampuriabrava sind wir wieder über bereits bekannten Gefilden. Perpignan TWR gibt uns die Freigabe entlang der Küste, Montpellier Control erlaubt uns den Durchflug durch die CTR von Beziers, und schließlich warnt uns Marseille Information wiederholt vor Segelfliegern im Raum Ales, am Rande der Cevennen. Wir versprechen einen „sharp look out“. Ein auf Kurs liegendes militärisches Sperrgebiet ist nicht aktiv, wir können also ohne Umweg geradeaus fliegen. Bestes Wetter auch im Rhonetal; Landung nach ca. 550 km in Valence.

Mittwoch, 11.09

Der Himmel ist wolkenverhangen; nach einem Anruf bei der Flugwetterwarte in Frankfurt, die uns auf unserem Weg zurück nach Deutschland ein Schlechtwettergebiet in Elsass- Lothringen meldet, entscheiden wir uns, vorsichtshalber noch einen Tag zu warten. Morgen soll es besser werden. Nachmittags Bummel durch Valence bei herrlichem Sonnenschein und kräftigem Wind.

Donnerstag, 12.09

Auf der Fahrt zum Flugplatz um 08:30 Uhr fallen die ersten Regentropfen, und ab 09:00 Uhr tobt sich sechs Std. lang ein Gewitter über Valence aus; es schüttet wie aus Kübeln. In einer Regenpause organisieren wir einen Hallenplatz und legen die Dimona erst einmal trocken. An einen Weiterflug ist heute ohnehin nicht mehr zu denken.

Freitag, 13.09

Wir sind früh wieder am Flugplatz. Aber Dunst und eine tiefe Wolkenbasis lassen einen sofortigen Start nicht zu. Also ist wieder Warten angesagt. Laut Wetterwarte in Frankfurt ist der Himmel ab Lyon, also nur etwa 70 km nördlich von uns, bereits blau. Wir starten gegen 10:30 Uhr und fliegen das Rhonetal hinauf, an Lyon vorbei und treffen – wie angesagt – bald auf bestes Flugwetter. Wir fliegen dieselbe Strecke zurück, die wir auf dem Hinflug genommen hatten (Macon, Vesoul, Epinal) und landen nach 3 Std. in Saarlouis-Düren. Tanken, Flugplan schließen und über Saar, Mosel und Eifel kommen richtig heimatliche Gefühle auf. Landung um 14:40 Uhr in Aachen-Merzbrück nach 41 Std. und 5400 km. Die -dank sorgfältiger Wartung- stets zuverlässige Dimona hat uns einmal mehr zu einem unvergesslichen Erlebnis verholfen.

Im September 2002

Günter Bleckmann